99 Konfliktarten! Theoretisch so langweilig wie Stau.

Vergangene Woche war ich auf dem Weg nach Hannover, als ich nicht nur nach wenigen Kilometern bereute, den Wagen genommen zu haben, sondern auch im Radio „99 Luftballons“ von Nena hörte. Das Lied wurde 1986 veröffentlicht und noch ehe ich darüber nachdenken konnte, wie schnell die Zeit vergeht, überholte mich auf der linken Spur der Gedanke an all die unterschiedlichen Konfliktarten und Modelle. Mindestens 99.

Wir stehen nicht im Stau. Wir sind der Stau.



Da gibt es Sach-, Werte- und Beziehungskonflikte. Zielkonflikte. Scheinkonflikte. Randkonflikte. Teamkonflikte. Organisationskonflikte. Persönliche Konflikte. Gelöste Konflikte. Und selbstverständlich gibt es für alles einen Fahrplan. Theoretisch. Praktisch steht man dann eben doch im Stau und Umgehungsstraßen sind überbewertet.


Für die beteiligten Personen ist es oft nahezu egal ist, welche Art von Konflikten sie haben. Im besten Fall zählt einzig und alleine, den Weg ans Ziel - die Lösung- zu finden. Dafür gibt es aus meiner Sicht keinen Straßenplan, aber einige Leitplanken, die Sicherheit geben und an denen man sich orientieren kann. Sie sind auf den ersten Blick sehr simpel:



1. Zeit.

Schlechte Gespräche bezahlt man mit Nerven.
In gute Dialoge investiert man Zeit.

Hinsetzen. Alle Geräte ausschalten, für störungsfreie Stunden sorgen.
Allein dieser Punkt setzt Menschen, von Teams an dieser Stelle ganz zu schweigen, schon vor größte Herausforderungen. Da fällt einem ein dringender Anruf ein, eine unbedingt noch zu schreibende E-Mail … und wenn man nichts findet, erfindet man eben etwas. Die Wahrscheinlichkeit, dass der zeitliche Rahmen wirklich genutzt wird, ist extrem gering. Diese Ausfahrt ist eben doch sehr verlockend. Dass der Zeitfaktor aber eine große Rolle spielt, wissen wir eigentlich alle.

Das Ego ist eine fiese Socke und lässt Menschen Sätze sagen wie:

  • „Du bist schuldig!“
  • „Sie haben einen Fehler gemacht“ oder
  • „Hätten Sie x nicht getan, wäre ich nicht gezwungen gewesen, y zu tun.“

Alles nachzuvollzienen, aber ein Kreisverkehr ohne Ausfahrt.
Schuld ist das, was man sucht, um die Verantwortung gar nicht erst übernehmen zu müssen. Kriecht der andere zu Kreuze, ist man selbst raus aus dem Spiel. Wie angenehm. Wer es also schafft, das Thema der Schuld komplett zu umgehen, der wird schnell feststellen, dass er den Konflikt wirklich am Schopf packen kann. „Aber wenn es doch stimmt, dass der andere die Schuld trägt?“ Dann könnten Sie der Person helfen, das Ding zu tragen - vielleicht sogar ganz entlasten - und die Schuldfrage aus dem Fenster schmeißen. Oder ist Ihnen doch das Ego im Weg?

2. Zuhören.
Da sitzt man nun im Konfliktchaos. Fühlt sich angegriffen und nicht verstanden. Und dann soll man noch zuhören?
Jein. Fangen Sie doch mal aus Spaß an, einfach nur zu hören, was der andere Ihnen sagt. Ohne Interpretation. Ohne Bewertung. Und wenn doch, könnten Sie sich überlegen, was in Ihnen wirklich angetriggert wird, wenn Sie bestimmte Sätze hören. Allein das könnte Sie schon so sehr ins Nachdenken bringen, dass Sie gar keine Zeit haben zu reden. Die meisten Menschen lassen diese Punkte aber gerne aus und schießen die gewohnten Worthülsen los, um sich hinter den Schreibtischen und gewohnten Wortgefechten zu verschanzen. Halten Sie doch einfach mal an. Wozu ist ein Parkplatz sonst da? Im Notfall nehmen Sie bitte den Standstreifen.
Es ist nicht leicht, aber wer sagt denn, dass es nicht gerade deshalb der richtige Weg ist? Wenn Sie übrigens komplett mit den eigenen Gedanken überfordert sind, dann verpulvern Sie die ersten Schüsse bei einem Menschen, der nichts mit der Konfliktsituation zu tun hat. Aber erst fragen, ob Sie das dürfen, bitte, sonst haben Sie direkt die nächste Baustelle.


Wenn Sie schon einen Schritt weiter sind, können Sie sich selbstverständlich auch fragen, was Sie jetzt in diesem Moment benötigen. Ich wette mit Ihnen, dass allein diese Frage Sie schon auf neue Wege bringt. Vorausgesetzt, Sie beantworten sie mal nicht nach Schema F.


Ich behaupte, wenn Sie allein diese Punkte in die Tat umsetzen, dann werden Sie Konflikte anders und besser lösen können. Vielleicht nicht jeden, vielleicht nicht sofort. Aber mit der Zeit werden Sie eine Veränderung bemerken. Nicht nur bei sich.


Ich stand am Ende übrigens fast zwei Stunden im Stau. Mit der Erkenntnis:

Ich stehe nicht im Stau.
Ich bin der Stau.


Und das gilt auch für jede Konfliktsituation.