Agile Teamarbeit in unruhigen Zeiten. Von der Theorie in die Praxis.

Die Theorie des agilen Arbeitens ist die eine Sache, die Praxis eine ganz andere. Ein Blick auf meine aktuellen Projekte zeigt: Wenn agiles Arbeiten von der Führungskraft gewünscht wird, heißt das noch lange nicht, dass Mitarbeitende das auch wollen. Was kann man dann tun? Wie überzeugt man die Menschen? Oder doch wieder zurück zur "klassischen" Führung?

Die Führungskraft hat sich entschieden, dass das Team "agil" arbeiten soll. Es werden Seminare verordnet und besucht, Theorien werden einstudiert. "Konzept" ist ein Wort, dass sich eigentlich zur agilen Arbeit nahezu ausschließt, ist aber das, wonach sich einige Menschen sehnen. Weniger erfahrene Vorgesetzte sind an diesem Punkt verleitet, Pläne und Konstrukte zu erzeugen, Hilfsmittel anzubieten, erneut das Daily zu erklären - und wenn alles nicht hilft, dann heißt es: "Das Team kapiert es einfach nicht, es sind die falschen Mitarbeiter, das klappt so nicht."

Ganz abgesehen davon, dass es in der Tat Menschen gibt, denen agiles handeln und denken fremd ist, liegt es nicht selten an der Führungskraft oder dem Coach. Er/sie macht oft viel zu viel, stülpt zu viel über, macht zu viele Vorgaben. Wenn das "Mindset" sich verändern soll, dann benötigen Teams oft eines besonders: Zeit. Einen Rahmen für den freien Austausch, ohne Maßregelungen, wer zu viel Redezeit in Anspruch nimmt. Zeit, um Erlebtes sacken zu lassen. Selbstreflexion ist keine Angelegenheit, die von jetzt auf gleich von jedem Menschen umgesetzt wird. Schon gar nicht, wenn damit Veränderungen einhergehen. Vom Umgang mit Konflikten im Team will wieder kein Mensch etwas wissen.

Einem Team agiles arbeiten überzustülpen, ist und bleibt ein Fehler.

"Selbstlernend" wird zur Farce, wenn einfach "beschlossen" wird. Meist wird das noch mit abstrusen Visionen überzogen, eingepackt in "Wir sind dann viel erfolgreicher". Aus einer Gruppe von Menschen wird nicht zwangsläufig ein Team, nur weil man jetzt unter dem Deckmantel "agil" arbeitet. Es funktioniert nicht.
Was bedeutet Erfolg für jeden Einzelnen? Was für das Team? Die Vision, das Ja, fehlt - ohne sie kann eine Veränderung nicht stattfinden, wird es kein agiles Team geben. Anfangs, mit ein bisschen Glück, sind wenigstens noch einige Mitarbeiter an Bord, nach einer Zeit der Frustration nehmen die Konflikte zu - und werden nicht gelöst. Wer hier nicht entsprechend eingreift und Möglichkeiten schafft, dass Menschen sich ohne Angst austauschen können, fährt den Wagen weiter an die Wand.


Aus meiner aktuellen Erfahrung: Wenn jetzt ein "Agile Coach" geholt wird, der Konfliktmanagement, Mediation und Moderation nur aus der Theorie kennt, ist das Chaos perfekt. Unter Umständen fängt er an, weitere Vorschriften zu machen, weitere Regeln aufzustellen, noch mehr "überzustülpen". Auch dieser Weg wird nicht funktionieren, denn das Team erhält keine Möglichkeiten zur Reflexion, zur Bestandsaufnahme, zur Entwicklung der Vision. Was funktioniert bei uns, was nicht? Eine vordergründig simple Frage, bei denen einige PO vor Wut schon rote Ohren bekommen, weil "das nicht den Regeln entspricht". Dass die, die "eigentlich" für agiles Arbeiten stehen - und es leben sollten- die stärksten Bremsen sind, ist nur theoretisch ein Witz.


Agile Teamarbeit in unruhigen Zeiten. Von der Theorie in die Praxis.
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